Psychische Krankheiten

8 merkwürdige psychische Krankenheiten, aus verschiedenen Kulturen

Psychische Erkrankungen gibt es auf der ganzen Welt, doch nicht alle Krankheiten betreffen auch alle Kulturen. Diese Krankheiten sind in der westlichen Welt so gut wie unbekannt, doch die Menschen leiden darunter genauso wie wir unter Depressionen und Essstörungen.

1. Windigo

Bei diesem ungewöhnlichen Phänomen der Ureinwohner in Nordostamerika handelt es sich um kannibalistische Zwangshandlungen. Traditionellerweise werden die Fälle als Besessenheit beschrieben, wobei sich die Betroffenen (überwiegend Männer) in “kannibalistische Monster” verwandeln sollen. Das Krankheitsbild umfasst depressive Verstimmungen sowie Suizidgedanken, aber auch Mord-Ideen. Diese werden geleitet von dem wahnhaften und fast zwanghaften Wunsch, Menschenfleisch zu essen. Die meisten Betroffenen werden sozial geächtet oder gar getötet. Frühere Untersuchungen beschrieben solche Episoden als hysterische Psychose, ausgelöst durch chronischen Nahrungsmangel, aber auch kulturelle Mythen von Hunger und sogenannten Wendigos. In westlichen Klassifikationen würde man dies als extreme Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen bezeichnen.

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2. Pa-leng/Frigophobie

Unter diesem Phänomen mit Schwerpunkt in Südostasien, China und vor allem Taiwan versteht man einen ausgeprägten Angstzustand mit unverhältnismäßiger Furcht vor Kälte und Wind. Und zwar nicht vor den Folgen dieser meteorologischen Einflüsse, sondern wegen der Überzeugung, Kälte und Wind verursachten Müdigkeit, Impotenz oder Tod. Die Folgen kann man sich denken: Die Betroffenen tragen vorsorglich und fast zwanghaft schwere Kleidung, oft übermäßig viel übereinander. Diese Ängste werden vor allem durch die kulturspezifische Auffassung verstärkt, es handele sich tatsächlich um eine organische Störung. Und diese ist nicht nur auf obige Regionen beschränkt, auch in Mexiko, Zentral- und Südamerika gibt es ähnliche Syndrome. Im Westen würde man dies unter die spezifischen Phobien einordnen.

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3. Amok

Unter Amok – heute leider ein offenbar zunehmendes Gewalt-Phänomen – versteht man eine willkürliche, offenbar nicht provozierte Episode mörderischen oder erheblich zerstörerischen Verhaltens. Danach folgt Amnesie (Erinnerungslosigkeit) und/oder Erschöpfung. Nicht wenige solcher Amok-Attacken enden mit dem Suizid. Die meisten Ereignisse treten ohne Vorwarnung auf. Einigen geht für eine gewisse Zeit das Gefühl intensiver Angst, ja Feindseligkeit voraus. Bisher hatte man den Eindruck, dass der Amok-Lauf vor allem dort auftritt, wo sich extreme Aggressions-Durchbrüche und suizidale Tendenzen im Rahmen von Kriegshandlungen schon traditionell einer besonderen Wertschätzung erfreuen. Hier scheint sich einiges zu ändern. Amok-Attacken gab es nach herkömmlicher Erkenntnis bisher vor allem in Hinterindien sowie in anderen fernöstlichen Kulturbereichen. Beispiele: Neu Guinea, Südafrika, Polynesien, in den Andenstaaten Bolivien, Kolumbien, Equador und Peru, auf der koreanischen Halbinsel sowie bei bestimmten Ureinwohnern des Südwestens der USA. Will man den Amok-Lauf psychiatrisch klassifizieren, dann wird er am ehesten unter die in der westlichen Welt üblichen Diagnosen Persönlichkeitsstörung und Verhaltensstörung eingeordnet. Was bei uns in den Medien unter “Amok” gehandelt wird, unterscheidet sich ziemlich von der ursprünglichen Störung.

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4. Koro

Bei Koro handelt es sich um die Furcht oder gar Panik vor einer “Retraktion des Genitales”. Was heißt das für die Betroffenen in Südost-Asien, Südchina, Indien oder Ägypten? In schweren Fällen sind die Männer der Überzeugung, dass sich der Penis sofort in den Unterleib zurückziehen wird. Frauen ihrerseits glauben, ihre Brüste, die Vulva oder die Schamlippen werden eingezogen. Für die Betroffenen ist das kein Scherz, sie erwarten schreckliche Konsequenzen. In einzelnen Untersuchungen glaubt man, dass vor allem bestimmte Krankheiten, aber auch Kälte und exzessiver Sex als belastende Faktoren mitentscheidend sein könnten. Einen noch größeren Einfluss aber dürften zwischenmenschliche Konflikte oder bestimmte soziokulturelle Anforderungen in der jeweiligen Gesellschaft haben. Die Störung beginnt unerwartet, plötzlich und intensiv. Die Reaktionen darauf sind unterschiedlich: Die meisten “Opfer” versuchen ihre äußeren Geschlechtsmerkmale regelrecht festzuhalten, insbesondere den Penis. Wie ernst das Ganze genommen wird zeigt die Erfahrung, dass sich auch Familienmitglieder bereit erklären, hier konkrete Hilfestellung zu leisten. Dabei werden sogar Schienen oder Geräte zur Verhinderung dieser “Retraktion” eingesetzt – und natürlich Naturheilmittel, Massage und selbst Oralsex. Ein ähnliches Phänomen wird in Indien Dhat und in Ägypten Rabt genannt. Im Westen würde man dies als neurotische Störung oder somatoforme autonome Störung des Urogenitalsystems bezeichnen.

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5. Pibloktoq, arktische Hysterie

Wie schon der Name sagt, handelt es sich um ein dramatisches krankhaftes Geschehen, eine Hysterie aus der arktischen Region, das vor allem Inuits (wie sich die Eskimos selber nennen) betrifft.

Es beginnt mit Müdigkeit, Deprimiertheit oder Verwirrtheit. Danach folgt ein “Anfall” mit

  • Ausziehen oder gar Herunterreißen der Kleidung,
  • mit hektischem Laufen und Rollen im Schnee,
  • mit Glossolalie, also Lautäusserungen ohne erkennbaren Sinn, die den Eindruck einer in sich geschlossenen Sprache erwecken und sogar Wortneuschöpfungen enthalten (ein früher häufigeres Phänomen, schon in der Bibel erwähnt, nämlich das Sprechen einer “fremden, unverständlichen”, aber natürlich nicht existierenden Sprache in religiöser Ekstase als Folge göttlicher Eingebung),
  • mit Echolalie: echoartiges, willenloses, automatenhaftes Wiederholen und Nachreden von vorgesprochenen Worten, Lauten und kurzen Sätzen,
  • mit Echopraxie: Haltungs- und Bewegungsimitation, d. h. automatenhaftes, echoartiges Nachahmen vorgezeigter Bewegungen, besonders der Gliedmaßen, gelegentlich sogar
  • mit Koprophagie, d.h. Kotessen und schließlich mit
  • Zerstörung von Eigentum.

Die meisten dieser Anfälle dauern nur wenige Minuten. Anschließend folgt ein Bewusstseinsverlust mit Amnesie (Erinnerungslosigkeit) und glücklicherweise vollständiger Gesundung. Verletzungen sind selten. In einigen Untersuchungen meint man, es könne sich um eine hypokalzämische Tetanie handeln (Muskel-Übererregbarkeit durch zu wenig Kalzium im Blut durch Vitamin D-Mangel). Die meisten Wissenschaftler sehen jedoch einen Zusammenhang mit zwischenmenschlichen Ängsten und soziokulturellen Belastungen. Solche hysterischen Zustände sind natürlich nicht nur auf die Arktis beschränkt. Vergleichbares sieht man in Indonesien und Malaysia, im Kongo und in Malawi, in Südafrika, bei den Ureinwohnern von Honduras sowie bei den Ureinwohnern Japans, auf den Philippinen und afrikansichen Gruppen. In westlichen Klassifikationen würde man so etwas eine Konversionsstörung oder gemischte dissoziative Störung nennen.

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6. Susto

Unter Susto versteht man sehr unterschiedliche und meist chronisch werdende Beschwerden, in der Regel nach einem heftigen und oft “übernatürlichen” Schrecken, der zum “Verlust der Seele” führt. In einigen Fällen werden solch traumatische Ereignisse gar nicht selber erlebt. Manche erkranken auch, wenn andere, meist nahe Verwandte ein entsprechendes Erschrecken überfällt. Das äußert sich in innerer Unruhe, Anspannung, nervöser Hektik, in Magersucht, Schlafstörungen, Fieber, Durchfall, Verwirrtheit, Gefühllosigkeit, Teilnahmslosigkeit, in depressiven Verstimmungen, Rückzug und Isolationsneigung. In manchen Studien vermutet man eine organische Ursache, nämlich eine Hypoglykämie (Unterzuckerung), andere sprechen von unspezifischen organischen Erkrankungen, von Stress und generalisierten Angststörungen auf Grund von psychosozialen Konflikten und vermindertem Selbstwertgefühl. Dieses Leiden findet sich vor allem in Mexiko, Zentral- und Südamerika. Doch auch auf den Philippinen, in Indonesien und Malaysia, bei den Ureinwohnern Australiens, in Neu-Guinea, im Iran und im Amazonasgebiet finden sich ähnliche Phänomene beschrieben. Westliche Klassifikationen würden dies als neurotische Störungen oder undifferenzierte Somatisierungsstörungen bezeichnen.

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7. Ufufuyane

Hier handelt es sich um einen spezifischen Angstzustand, der vor allem bei den Bantu, Zulu und verwandten Gruppen, insbesondere in Südafrika und Kenia zu finden ist. Diese Angststörung geht entweder auf Besessenheit zurück oder auf magische Getränke, die von abgewiesenen Geliebten verabreicht worden sein sollen. Typisch sind Schreien, Schluchzen, wiederholte Neubildung von Worten, Bewusstseinsverlust. Die meisten Betroffenen sind junge, unverheiratete Frauen. Einige erleben Albträume mit sexuellen Inhalten oder sogar Episoden vorübergehender Blindheit. Die mitunter Tage oder Wochen anhaltenden Episoden können durch den Anblick von Männern oder Fremden ausgelöst werden. Ähnliche Phänomene findet man auch in Nigeria, in Thailand sowie in Ägypten, Äthiopien und im Sudan. In der westlichen Welt ordnet man dies in die Trance und Besessenheitszustände oder gemischte dissoziative Störungen ein, auch Konversionsstörungen genannt.

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8. Uqamairineq

Das sind bei den Eskimos (Inuits) plötzliche Lähmungen, verbunden mit Angst, innere Unruhe, Nervosität, Fahrigkeit, Anspannung, und zwar vor allem beim Übergang vom Wachen zum Schlafen oder umgekehrt. Und das alles kann sogar durch Halluzinationen verstärkt werden. Die meisten Attacken dauern nur einige Minuten und gehen vollständig zurück. Es gibt aber auch mittelfristige bis chronische Verläufe. Diese Störung scheint ziemlich häufig zu sein. Sie wird traditionellerweise mit dem Verlust der Seele, mit Seelenwanderung oder Besessenheit in Zusammenhang gebracht. Die Ursache ist wahrscheinlich Narkolepsie, eine merkwürdige Schlafkrankheit. Ähnliches findet man auch in Nigeria, in Neufundland und in Thailand. Im Westen bezeichnet man dies als Konversions- oder dissoziative Störungen. Oder als Narkolepsie mit Kataplexie einschließlich Schlaflähmung.

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